EXPO 1900: Der Veroneser Marmor an anfang dej 20 j.h.d

Ein Sprung in die Vergangenheit: von der EXPO 2015, die der Ernährung gewidmet ist, zur Expo 1900 in Verona, die der Landwirtschaft und der Region gewidmet war. 

Expo-1900m vorherigen Artikel (“EXPO Milano ist die Tochter der Weltausstellung von 1900 in VeronaEXPO Milano ist die Tochter der Weltausstellung von 1900 in Verona”) hatten wir bereits von der Weltausstellung in Verona von 1900 erzählt, die zur selben Zeit stattfand wie die berühmte Weltausstellung in Paris und die als eine Art Schaufenster für die  damals besten Produkte aus Verona und Umgebung fungieren sollte.

In der Expo 2015 dreht sich alles hauptsächlich um Lebensmittel und Co., dagegen hatten wir in Verona eine völlig andere Situation gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Damals war die Veroneser Landwirtschaft durch etliche Naturkatastrophen stark angegriffen. Vor allem die Weinreben hatten sehr gelitten, Reblaus Befall und Mehltau hatten den Weinbauern sehr zugesetzt. Eine Krankheit der Seidenraupe trieb fast den Textilsektor in den Ruin.

Die Expo 1900 in Verona wollte einerseits die Landwirtschaf ankurbeln, andrerseits zahlreiche beachtenswerte Wirtschaftstätigkeiten und Eigenschaften unser Region zur Schau stellen. Natürlich durfte die Förderung und Bearbeitung von Naturstein nicht unerwähnt bleiben.

Der gemeinsame Nenner von Marmor und EXPO 2015

Anlässlich der Weltausstellung in Mailand wurden die gesamten Außenwände sowie Teile im Innenbereich des Palazzo Italia – Symbolstätte der Expo 2015 - mit einem innovativen und umweltschonenden Baumaterial gebaut, dem sogenannten biodynamischen Zement.

Dieses Produkt, das von der Firma Italcementi hergestellt wird, ist aufgrund seiner Merkmale und Eigenschaften einzigartig.

Bereits der Name des Produkts weist auf seine innovative Charakteristik hin: der Wortteil ‘Bio’ beinhaltet die fotokatalytischen Eigenschaften des neuartigen Zements, der bei Kontakt mit Sonnenlicht in der Lage ist, Schadstoffe in der Luft ‘einzufangen’ und diese in ungefährliche Neutralsalze zu verwandeln. Das Baumaterial kann sozusagen die Luft von Smog befreien. Unter ‘Dynamik’ versteht man dagegen die Anpassungsfähigkeit des neuen Materials, d.h. es ist möglich, auch sehr komplexe Formen, wie die Paneele des Palazzo Italia, zu verwirklichen. Im Vergleich zum herkömmlichen Mörtel lässt sich das neue Baumaterial sehr gut verarbeiten und ist außerordentlich  widerstandsfähig.  Seine Fließfähigkeit ist dreimal so hoch (300 mm anstatt 100 mm) und seine Druckfestigkeit ebenso wie seine Biegefestigkeit sind doppelt so hoch.

Der auf der EXPO 2015 verwendete Zement besteht zu 80 Prozent aus recyceltem Material, teilweise Abfallmaterial aus der Marmorverarbeitung in Carrara, und hat im Gegensatz zu den herkömmlichen weißen Zementarten einen besonders strahlenden Glanz. 

Der Marmor, der zur Verwirklichung eines der bedeutendsten Gebäude dieser Expo 2015 beigetragen hat,  spielte auch in der Weltausstellung 1900 in Verona eine bedeutende Rolle; zum damaligen Anlass veröffentlichte die Veroneser Akademie für Landwirtschaft, Wissenschaften, Literatur, Kunst und Handel den Artikel mit dem Titel: “MARMOR, NATURSTEINE UND ERDFARBEN DER PROVINZ VERONA”

 Glücklicherweise besitzen wir, wie bereits gesagt, eine Kopie dieses lehrreichen Heftchens und beim Durchlesen ist uns aufgefallen, wie sehr die Kultur der Steinbearbeitung in unserer Gegend verwurzelt ist.

Marmor aus Verona: Bearbeitung und Produktion um 1900

Nicht nur Marmorarten wie Rosso Verona und Nembro in allen möglichen Varianten wurden in der Gegend abgebaut und bearbeitet, sondern auch zahlreiche andere Natursteine: Biancone, Bronzetto, Pietra di Incaffi, Giallo Torri; jahrhundertelang wurde mit diesen Natursteinen gebaut, heutzutage findet man sie aber kaum mehr.

Man kann nachlesen, dass es in den Steinbrüchen von Lubiara, in der Nähe von Caprino, und von Sant’Ambrogio teilweise Steine mit bis zu 25 verschiedenen Schichten gab, die farblich von Weiß bis Rot variierten. Oftmals hatten sie eigenwillige Namen, die sich nach den jeweiligen Eigenschaften bzw. Verwendungen richteten. 

Es gab zum Beispiel den Bastardstein, den tollwütigen Stein, den rostigen Lauf, die lockere Platte,  den Schüssellauf und so weiter...

 

  • Marble-Verona-1900
  • Marble-Verona-Exposition-universal

 

Manchmal wurde das Material gleich nach dem Abbau noch vor Ort bearbeitet und anschließend zum Bahnhof nach Caprino (damals führte die Bahnstrecke von Caprino über Affi, Sega und Valpolicella nach Porta San Giorgio in Verona) oder zu den Bahnhöfen in Sant’Ambrogio bzw. Domegliara gebracht.

Es gab ca. 400 Arbeiter in den Steinbrüchen in der Gegend um Sant’Ambrogio und ihr Gehalt betrug zwischen 2,5 und 3,5 Lire am Tag. 

Das beste Material kostete vorgeschliffen und ab Bahnhof Verona ca. 200 Lire pro Kubikmeter.  

Bearbeitung des Marmors in Verona um 1900

Bis vor hundert Jahren gab es folgende Oberflächenbearbeitungen: grobes Fräsen, fünfzackiges Fräsen, Bossierung mit mittlerer Zacke und Bossierung mit feiner Zacke, einfache Politur und Bleipolitur; der Preis variierte zwischen 3 und 12 Lire pro Quadratmeter.

Viele Bearbeitungen, wie der Vorschliff der Säulen, wurden direkt im Steinbruch vorgenommen, um das Gewicht noch vor dem Transport zu reduzieren. Man transportierte die Natursteine auf einem Karren, der von Ochsen gezogen wurde, das Beladen und Entladen fand manuell statt.

Es mussten auch legale und bürokratische Probleme bewältigt werden. Man kann nachlesen, dass der Transport farbiger Natursteine, wie Rosso Verona oder Nembro, trotz gleichem Gewicht teurer war als der Transport weißer Natursteine.

Ein weiterer schwerer Schlag für die Marmorindustrie war der Umstand, dass man nur noch rohe Natursteine nach Österreich und Ungarn liefern konnte, da die Zollkosten für sorgfältig verarbeitete Natursteine sehr viel höher waren als für unbearbeitete.

Da die Natursteine nicht mehr vor Ort bearbeitet wurden, sahen sich die nun arbeitslosen Arbeiter und Steinmetze zur Emigration gezwungen.

Diese Ereignisse fanden zur Zeit der EXPO 1900 in Verona statt.